
Warteschlangen im System
Warteschlangen und der Irrtum der perfekten Auslastung
Du stehst beim Bäcker. Es sind drei Leute vor dir, es geht schleppend voran. Die Verkäuferin wirkt gehetzt, die Kundin vorn diskutiert über ein Croissant mit oder ohne Schokofüllung. Hinter dir scharrt jemand ungeduldig mit den Füßen.
Du schaust auf die Uhr. Zehn Minuten. Für ein Brot.
Warum dauert das so lange?
Der Grund ist simpel – und gleichzeitig komplex: die Warteschlangenformel. Sie sagt voraus, wie sich Wartezeiten entwickeln, wenn die Auslastung eines Systems steigt. Kurz gesagt: Je näher die Auslastung an 100 % kommt, desto exponentiell steigen die Wartezeiten.
Klingt theoretisch? Ist aber gelebte Realität – nicht nur beim Bäcker.
Ein Blick hinter die Kulissen
Stell dir vor, eine Kasse ist zu 90 % ausgelastet. Das bedeutet: Sie ist fast immer belegt, aber es gibt noch kleine Puffer. Ein zusätzlicher Kunde sorgt nur für eine kurze Wartezeit.
Jetzt drehst du die Stellschraube auf 98 %. Klingt nach einer tollen Effizienz, oder? Kaum Leerlauf!
Aber genau hier beginnt das Drama: Der nächste Kunde, der kommt, hat kaum noch Puffer. Schon wenige Extra-Minuten pro Kunde sorgen dafür, dass die Warteschlange rapide wächst.
Was in Minuten beginnt, wird zur Viertelstunde. Zur halben Stunde. Zur Frustration.
Jetzt ins Büro gewechselt: Willkommen in der Realität
In vielen Unternehmen läuft es ähnlich.
Die Teams sind bis zur letzten Minute verplant. Besprechungen reihen sich aneinander, Aufgaben stauen sich. Puffer? Fehlanzeige.
Und wenn dann noch etwas Unerwartetes passiert – ein dringender Kundenanruf, eine Kollegin fällt aus, ein Fehler im System – beginnt das System zu kippen.
Wie in der Bäckerei: Es wird langsamer, ungenauer, hektischer. Und irgendwann: gar nicht mehr.
Gesund geschrumpft? Von Effizienz zu Erschöpfung
Aktuell beobachten wir in vielen Unternehmen eine Strategie, die gerne als „gesundes Schrumpfen“ verkauft wird. Stellen werden gestrichen, Teams verkleinert, Prozesse gestrafft. Ziel: mehr Effizienz. Mehr Output mit weniger Ressourcen. Klingt vernünftig – auf dem Papier.
Doch in der Praxis zeigt sich ein anderes Bild: Die verbliebenen Mitarbeitenden sollen die gleiche Menge Arbeit bewältigen, oft sogar mehr – mit weniger Personal, weniger Zeit, weniger Unterstützung. Die Systeme sind dauerhaft am Anschlag.
Was anfangs als smarte Sparmaßnahme galt, entpuppt sich als Dauerstress-Modell mit eingebautem Burnout-Risiko.
Warum volle Auslastung eine schlechte Idee ist
Effizienz ist ein reizvolles Konzept. Aber in lebendigen Systemen – und dazu gehören Menschen und Teams – führt maximale Auslastung nicht zu maximalem Output.
Sie führt zu Überlastung.
Zur Zermürbung.
Zum Verlust von Qualität.
Die Warteschlangenformel ist keine abstrakte Theorie. Sie ist ein Spiegel unserer Arbeitswelt – und sie zeigt uns ganz klar:
Ohne Puffer, kein Flow. Ohne Freiraum, keine Qualität. Ohne Menschlichkeit, keine Zukunft.
Was Unternehmen daraus lernen können
- Plane bewusst Luft ein. Nicht jede Minute muss belegt sein – Leerlauf ist kein Feind, sondern ein Schutzfaktor.
- Rechne mit dem Unerwarteten. Störungen sind kein Ausnahmefall, sondern Teil des Systems.
- Wertschätze Stabilität. Ein System, das stabil läuft, ist oft leiser – aber nachhaltig leistungsfähig.
- Effizienz darf nicht entmenschlichen. Wer Effizienz über alles stellt, verliert früher oder später seine Mitarbeitenden.
Coaching-Fazit
Als Coach sehe ich diese Dynamik täglich. Menschen, die nicht langsam müde, sondern plötzlich erschöpft sind. Weil sie dachten, sie müssten effizient funktionieren – wie Maschinen.
Aber wir sind keine Maschinen. Wir sind Menschen.
Und ein System, das auf 100 % Effizienz getrimmt ist, läuft nicht besser. Es läuft heiß.
Die Kunst liegt nicht in der maximalen Auslastung. Die Kunst liegt im guten Takt. Im Rhythmus.
Im klugen Umgang mit Energie, Aufmerksamkeit und Erholung.
Und du?
Spürst du gerade, dass dein System zu voll läuft?
Dann sprich mit mir. Ich unterstütze dich dabei, einen neuen Rhythmus zu finden – für dich selbst, für dein Team, für dein Unternehmen.
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