Achtsamkeit,  Arbeitswelt,  Gesellschaft

Lieber böse als dumm

Warum das „Greater Fool“-Prinzip unsere Gesellschaft zersetzt – und was wir ihm entgegensetzen können

Es gibt Sätze, die bleiben im Kopf.
Nicht, weil sie besonders klug sind – sondern weil sie etwas offenbaren.
Ein Bekannter prägte kürzlich den Satz:
„Lieber böse als dumm.“

Und meinte: Wer heute noch hilfsbereit, vertrauensvoll oder kooperativ handelt, gilt schnell als naiv – oder schlimmer noch: als der letzte Trottel.
Ein Greater Fool.
Derjenige, der noch gibt, wenn andere längst genommen haben.
Der letzte Idealist in einem Spiel, das längst von Opportunisten beherrscht wird.

Das Greater-Fool-Prinzip: Von der Börse ins Büro

Ursprünglich stammt der Begriff aus der Finanzwelt.
Er beschreibt den Mechanismus, bei dem ein überteuertes Gut nur deshalb gekauft wird, weil man hofft, es an einen noch größeren Narren weiterzuverkaufen.
Das Spiel funktioniert – solange jemand bereit ist, der Dumme zu sein.

Heute sind wir mitten in einer Gesellschaft angekommen, in der sich dieses Prinzip tief eingebrannt hat.
In Unternehmen. In Beziehungen. In sozialen Medien.

  • Wer Rücksicht nimmt, gilt als Schwächling.
  • Wer teilt, wird ausgenutzt.
  • Wer sich für andere einsetzt, hat den Schuss nicht gehört.

Das neue Mantra?
„Ich zuerst – bevor es jemand anderes tut.“

Achtsamkeit statt Alarmismus

Und doch – ganz leise – gibt es sie noch:
Die Stimmen, die nicht schreien. Die Menschen, die nicht um jeden Preis gewinnen wollen.
Die, die achtsam bleiben in einer lauten Welt.

Achtsamkeit ist kein Wellness-Accessoire. – Sie ist Widerstand.
Ein innerer Aufstand gegen das Getriebensein.
Gegen das ständige Vergleichen.
Gegen den Reflex, sich selbst härter zu machen, weil alles um einen herum härter wird.

Achtsamkeit heißt nicht: immer nett sein.
Es heißt: wach sein.
Für sich. Für andere. Für das, was wirklich wichtig ist.

Wer achtsam lebt, fällt auf – nicht weil er laut ist, sondern weil er nicht mitmacht beim Spiel um die Krone des Cleversten.
Er oder sie zieht sich nicht zurück – sondern schaut genauer hin.
Spürt hin. Fragt nach. Bleibt da.

Der systemische Preis

Denn klar ist: Das ist kein individuelles Problem.
Das ist ein systemisches Muster.
Ein gesellschaftliches Klima, das bestimmte Verhaltensweisen belohnt – und andere abwertet.

Und irgendwann stehen alle da und denken sich:
„Wenn ich mich nicht mehr zeige, kann ich auch nicht enttäuscht werden.“
„Wenn ich zynisch bin, bin ich wenigstens nicht verletzlich.“

Aber der Preis ist hoch:
Beziehungen brechen weg. Vertrauen verdunstet.
Und mit ihm das, was Gesellschaft eigentlich ausmacht: Verbindung.

Was, wenn wir einen neuen Weg einschlagen?

Vielleicht braucht es wieder Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen.
Nicht aus Dummheit. Sondern aus Haltung.

  • Die sagen: „Ich bleibe offen.“
  • Die fragen: „Wie geht es dir – wirklich?“
  • Die bereit sind, wieder zuzuhören.
  • Die bereit sind, auch mal der Erste zu sein, der nicht zurückschlägt.

Es beginnt im Gespräch. Im Zuhören.
Im ehrlichen „Ich weiß gerade nicht weiter.“

Und manchmal – beginnt es im Austausch mit jemandem, der hinschaut.
Professionell. Systemisch. Achtsam.
Wie ich.

Wenn du merkst, dass dich diese Themen bewegen – dass du an Grenzen stößt, zynisch wirst, obwohl du das nie wolltest – dann melde dich.
Ich arbeite mit Menschen, die genug vom Mitläufertum haben.
Die den Lärm nicht mehr aushalten.
Und die bereit sind, wieder hinzuspüren.

Nicht als Held. Nicht als Narr. Vielleicht jedoch als weiser Narr.

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