Balance
Warum berufliche Stabilität kein Zufall ist (und was sie mit unserem inneren Ermittler zu tun hat)
Balance ist eines dieser Worte, das in Unternehmen gerne in Hochglanzpräsentationen landet. Work-Life-Balance. Team-Balance. Belastungs-Balance. Ein schönes Konzept – bis man merkt, dass es in der Realität oft so wackelig ist wie ein Stuhl auf drei ungleich langen Beinen.
Dabei ist Balance kein Wellness-Begriff. Sie ist eine neurobiologische Grundkompetenz, die entscheidet, ob wir stabil stehen oder ins Straucheln geraten. Und genau hier wird es interessant: Die Mechanismen, mit denen unser Körper physische Balance hält, lassen sich erstaunlich präzise auf unser Berufsleben übertragen.
Ich lade dich ein, einen Moment lang in die Rolle eines Ermittlers zu springen. Stell dir vor, du sezierst eine berufliche Herausforderung nicht nur mental, sondern auch biologisch. Plötzlich wird sichtbar, warum manche Menschen Krisen besser navigieren, während andere schon bei einer kleinen Drehung im Umfeld den Boden verlieren.
Die drei Systeme der Balance – und ihre Bedeutung für die Arbeitswelt
Drei Systeme sorgen dafür, dass wir aufrecht durchs Leben gehen: das visuelle System, das vestibuläre System und die Propriozeption. Jedes davon ist ein eigenes Informationsnetzwerk, aber erst im Zusammenspiel entsteht echte Stabilität.
Übertragen auf das Berufsleben ergeben sie einen klaren, greifbaren Dreiklang: Orientierung, Stabilität und Selbstwahrnehmung.
Lass uns die Systeme nacheinander betrachten – wie ein Detektiv, der die Spuren sortiert.
1. Das visuelle System: Orientierung – oder warum Klarheit der erste Schritt ist
Das visuelle System liefert die wichtigste Information für Balance: Wo bin ich? Wohin bewege ich mich? Was liegt vor mir?
In der Arbeitswelt entspricht das unserem Sinn für Orientierung:
- Welche Ziele verfolge ich – wirklich?
- Wie entwickelt sich mein Umfeld – sichtbar oder unterschwellig?
- Wie klar sind Rolle, Erwartungen und Prioritäten?
- Welche Informationen fehlen – und was bedeutet das für meine Entscheidungen?
Eine Führungskraft, deren „visuelles System“ gestört ist, agiert wie jemand, der im Nebel über eine Baustelle läuft: Jeder Schritt wird Unsicherheit. Entscheidungen verzögern sich. Misstrauen wächst.
Teams spüren das sofort – selbst wenn nie ein Wort darüber gesprochen wird.
Coaching-Perspektive:
Im Coaching geht es oft zuerst darum, die Sicht frei zu bekommen: Ziele sauber formulieren, Grenzen sichtbar machen, blinde Flecken ausleuchten. Erst wenn Klarheit herrscht, kann man sinnvoll aufrichten.
2. Das vestibuläre System: Stabilität – die Kunst, in Bewegung nicht umzufallen
Das vestibuläre System im Innenohr sagt uns, wann wir kippen, wie wir uns drehen und wie wir uns wieder fangen können. Es ist dafür verantwortlich, dass wir nicht umfallen, wenn wir plötzlich beschleunigen oder bremsen.
Übertragen auf das Berufsleben bedeutet das:
Wie gut halte ich meine Mitte, wenn alles um mich herum in Bewegung ist?
- Veränderungsprozesse
- Umstrukturierungen
- neue Vorgesetzte
- Zeitdruck
- Konflikte
- Zielverschiebungen
- unerwartete Anforderungen
- Krisen
Das vestibuläre Pendant im Job ist die Resilienz – die Fähigkeit, Turbulenzen nicht nur auszuhalten, sondern sich nach jeder Erschütterung neu auszurichten.
Für viele Menschen ist nicht der Stress das Problem, sondern die fehlende Rückkehr in den inneren Gleichgewichtspunkt. Die „Stabilisierung nach der Störung“ ist im Job häufig verloren gegangen.
Coaching-Perspektive:
Hier geht es darum, Mikrostrategien aufzubauen: kurze Reset-Momente, Atemtechniken, klare Priorisierungsmechanismen, Rollenreinheit, Stärkung der inneren Mitte. Menschen müssen wieder lernen, den Punkt zu finden, an dem sie „im Lot“ sind – und ihn bewusst anzusteuern.
3. Die Propriozeption: Selbstwahrnehmung – das stille Fundament jeder Handlung
Propriozeption ist die Fähigkeit, den eigenen Körper im Raum zu spüren: Muskelspannung, Haltung, Position, Kraft. Sie ist leise, aber unverzichtbar.
In der Arbeitswelt übersetzt sich Propriozeption in:
- Selbstwahrnehmung:
Wie geht es mir wirklich? Wo überdehne ich mich? Wo bin ich stabil? - Grenzen setzen:
Was ist meine Verantwortung – und was nicht? - Energiebewusstsein:
Wofür lohnt es sich, Kraft einzusetzen? Wofür nicht? - Innere Präsenz:
Wie klar bin ich im Gespräch, in Konflikten, in Entscheidungen?
Menschen verlieren berufliche Balance nicht, weil sie schwach sind –
sondern weil sie nicht merken, wann sie ihren Schwerpunkt verlagern oder zu viel Gewicht auf eine Seite geben.
Coaching-Perspektive:
Ein großer Teil der Coachingarbeit besteht darin, Menschen wieder in Kontakt mit ihrem inneren Körpersinn zu bringen – metaphorisch gesprochen. Das stärkt Souveränität, reduziert emotionale Reaktivität und verbessert die Fähigkeit, in schwierigen Situationen stabil zu bleiben.
Balance im Job: drei Systeme – eine gemeinsame Sprache
Wenn man die biologischen Mechanismen zusammenführt, entsteht ein einfaches Bild:
Visuell = Orientierung
Wohin geht es? Was ist mein Ziel? Was ist relevant?
Vestibulär = Stabilität
Was bringt mich ins Wanken? Wie finde ich zurück ins Lot?
Propriozeptiv = Selbstwahrnehmung
Was passiert in mir – und was brauche ich für Klarheit und Kraft?
Dieser Dreiklang ist die Grundlage für:
- gute Führung
- nachhaltige Leistungsfähigkeit
- gesunde Teams
- klare Kommunikation
- Krisenfestigkeit
- souveräne Entscheidungsprozesse
- authentische Präsenz
Balance ist kein Zustand – sie ist ein dynamischer Prozess.
Und wer sie beherrscht, hat einen Wettbewerbsvorteil.
Der innere Ermittler – was Coaching hier wirklich leistet
Coaching bedeutet in diesem Kontext, den inneren Ermittler zu aktivieren.
Ich arbeite beruflich häufig wie ein Detektiv:
- Ich sammele Hinweise: Körpersprache, Sprachmuster, emotionale Mikroreaktionen.
- Ich prüfe Stimmigkeit: Stimmen Ziel, Rolle und Verhalten überein?
- Ich rekonstruiere Abläufe: Was bringt jemanden aus dem Gleichgewicht – und warum?
- Ich decke blinde Flecken auf: Das, was unbewusst wirkt, aber klar sichtbar wird, wenn man es ins Licht holt.
- Ich verbinde Spuren zu einem Gesamtbild: Wo fehlen Orientierung, Stabilität oder Selbstkontakt?
Klient:innen sagen oft, ich würde Dinge „spüren, bevor sie ausgesprochen werden“.
In Wahrheit ist es wie bei Sherlock Holmes:
Aufmerksam beobachten, sauber deduzieren – und dann das Entscheidende zur richtigen Zeit benennen.
Balance ist trainierbar – und sie entscheidet über Erfolg im neuen Arbeitszeitalter
Gute Balance ist nicht angeboren. Sie ist geübt.
Und in Zeiten von New Work, agilen Strukturen, KI-Transformation, Fachkräftemangel und permanenten Veränderungen wird sie zu einem unverzichtbaren Skill – für Mitarbeitende, Führungskräfte und Organisationen.
Die Zukunft gehört denen, die:
- klar sehen,
- flexibel reagieren,
- sich selbst gut kennen
- und schnell wieder ins Gleichgewicht finden.
Nicht die Stärksten.
Nicht die Lautesten.
Sondern die, die ihre innere Balance unter Druck halten können.
Fazit
Balance ist kein „nice to have“ – sie ist eine strategische Kompetenz im Berufsleben.
Sie entscheidet darüber, ob Menschen gesund bleiben, ob Teams funktionieren, ob Führung gelingt und ob Unternehmen dynamische Zeiten meistern.
Wer berufliche Balance versteht, erkennt Muster schneller, trifft bessere Entscheidungen und bleibt souverän – auch wenn es wackelt.
Und wer sie trainiert, entwickelt eine stille, aber eindrucksvolle Form von Stärke:
Stabilität in Bewegung.
Wenn Du mehr Balance in deinem Leben suchst – sprich mich an. Hier geht es zu meinen Kontaktdaten.
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