Weihnachten
Die stillste Zeit des Jahres?
Warum die Tage zwischen den Jahren mehr Wahrheit vertragen als Glanz
Kurz vor Weihnachten erzählen wir uns jedes Jahr dieselbe Geschichte:
Jetzt wird es ruhig.
Jetzt kehrt Frieden ein.
Jetzt atmen wir durch.
Die Realität sieht anders aus. Stress. Termine. Erwartungen. Geschenke. Einkaufslisten. Weihnachtsfeiern, die man „noch schnell“ abhakt. Familienrollen, die sofort wieder greifen, kaum ist man durch die Tür gegangen. Und irgendwo dazwischen der eigene Anspruch, doch bitte dankbar, gelassen und fröhlich zu sein.
Das Problem ist nicht Weihnachten.
Das Problem ist, dass wir glauben, diese Zeit leisten zu müssen.
Die Wahrheit: Ruhe fällt nicht vom Himmel
Die sogenannten Feiertage sind selten frei. Sie sind nur anders gefüllt.
Weniger Arbeit, dafür mehr emotionale Verpflichtung. Weniger Meetings, dafür mehr unausgesprochene Erwartungen. Und spätestens wenn die letzte Kerze brennt, meldet sich etwas, das das ganze Jahr über kaum Raum hatte: ein leises Ziehen. Eine Müdigkeit, die tiefer geht als Schlafmangel.
Viele spüren genau dann:
So wie es läuft, kann es nicht einfach weitergehen.
Und genau hier wird es spannend.
Die Zeit außerhalb der Zeit
Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr haben einen besonderen Charakter. Nicht mehr ganz alt, noch nicht neu. Die Termine werden weniger, die Welt wirkt langsamer, die Kalender verlieren kurz ihre Macht.
In vielen Kulturen nennt man diese Phase die Zeit außerhalb der Zeit.
Im Volksglauben die Raunächte. Psychologisch betrachtet: eine natürliche Schwelle. Ein Übergang.
Und Übergänge sind heikel.
Aber sie sind auch kraftvoll.
Denn in Übergängen darf man Dinge anschauen, ohne sofort handeln zu müssen. Man darf Fragen stellen, ohne sofort Antworten parat zu haben. Man darf Bilanz ziehen – ohne sich gleich neu zu erfinden.
Das tun wir viel zu selten.
Rückblick statt Selbstkritik
Rückblick klingt für viele nach Abrechnung.
Nach „Was habe ich nicht geschafft?“
Nach To-do-Listen mit schlechtem Gewissen.
Darum eine klare Ansage:
Wenn Rückblick, dann ehrlich. Nicht hart.
Ein sinnvoller Rückblick fragt nicht zuerst nach Leistung, sondern nach Wahrheit.
Zum Beispiel:
- Was hat mich dieses Jahr wirklich Kraft gekostet – und warum?
- Wo habe ich funktioniert, obwohl ich innerlich längst auf Reserve war?
- Welche Situationen haben mir überraschend Energie gegeben?
- Wo habe ich mich selbst übergangen?
Das sind keine Wohlfühlfragen. Aber sie sind klärend.
Und Klärung ist die Voraussetzung für echte Veränderung.
Pläne? Ja. Aber anders.
Der Jahreswechsel verleitet zu großen Vorsätzen. Mehr Sport. Weniger Stress. Endlich Grenzen setzen. Alles richtig – und doch oft wirkungslos.
Warum?
Weil viele Pläne aus dem Kopf kommen, nicht aus der Erfahrung.
Ein guter Übergang fragt deshalb nicht: Was will ich nächstes Jahr erreichen?
Sondern: Was darf so nicht weitergehen?
Vielleicht ist der wichtigste Plan fürs neue Jahr kein Ziel, sondern eine Entscheidung.
Eine innere Haltung. Ein Nein. Oder ein längst überfälliges Ja.
Fünf praktische Ideen für die Zeit zwischen den Jahren
Nicht esoterisch. Nicht kompliziert. Aber wirksam – wenn man sie ernst nimmt.
1. Einen Tag ohne Zweck
Kein Projekt. Kein „das wollte ich immer mal“. Kein Optimierungsdrang.
Ein Tag, an dem nichts verbessert werden muss.
Langsam aufstehen. Spazierengehen. Schreiben. Schweigen.
Was auftaucht, taucht auf. Das reicht.
2. Drei ehrliche Sätze
Nimm dir Papier und schreib drei Sätze zu Ende:
- Dieses Jahr hat mir gezeigt, dass …
- Ich habe gelernt, dass ich …
- Nächstes Jahr brauche ich mehr / weniger …
Nicht schön formulieren. Wahr reicht.
3. Das eine Gespräch
Es gibt oft ein Gespräch, das man seit Monaten vor sich herschiebt.
Nicht alle lösen. Nicht alles klären.
Aber vielleicht den ersten Satz formulieren. Oder anerkennen, warum es so schwer ist.
4. Den Körper einbeziehen
Rückzug heißt nicht Stillstand.
Bewegung ohne Ziel – Spazierengehen, Dehnen, langsames Laufen – hilft, Gedanken zu sortieren, die am Schreibtisch festkleben. Viele Einsichten kommen nicht durch Nachdenken, sondern durch Rhythmus.
5. Eine Frage mitnehmen
Keine Liste, kein Vorsatz. Nur eine Frage für die kommenden Wochen:
- Was brauche ich wirklich, um nicht auszubrennen?
- Wo spiele ich eine Rolle, die mir nicht mehr passt?
- Was würde sich verändern, wenn ich mich ernster nehme?
Eine gute Frage arbeitet weiter – auch ohne Antwort.
Und wo kommt Coaching ins Spiel?
Nicht als Neujahrsvorsatz. Nicht als Reparaturmaßnahme.
Sondern als Raum, in dem diese Zwischenzeit ernst genommen wird.
Coaching beginnt oft genau dort, wo Menschen spüren:
Ich will nicht einfach ins nächste Jahr stolpern wie in die letzten.
Es geht nicht darum, schneller zu werden.
Sondern klarer. Ehrlicher. Stimmiger.
Manchmal braucht es jemanden, der zuhört, ohne sofort zu bewerten.
Der nachfragt, wo man selbst ausweicht.
Der hilft, Muster zu erkennen, bevor sie sich wiederholen.
Das ist keine Schwäche.
Das ist Verantwortung – sich selbst gegenüber.
Zum Schluss
Vielleicht sind diese Tage gar nicht dazu da, um „zur Ruhe zu kommen“.
Vielleicht sind sie dazu da, ehrlich zu werden – leise, ohne Publikum.
Nicht alles muss geklärt sein.
Aber vielleicht darf etwas anfangen, sich zu sortieren.
Wenn du diese Zeit nutzt, um dir selbst wieder näherzukommen,
dann waren es echte Feiertage.
Und das wäre mehr, als die meisten sich gönnen.
Möchtest Du im neuen Jahr vielleicht tiefer Blicken oder etwas anpacken, dass Dich berührt? Vieleicht auf Potentiale, Möglichkeiten oder Schattenseiten blicken?
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