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Schein-Kommunikation

Wenn Worte nichts (bzw. niemanden) bewegen

Wir leben in einer Welt voller Worte. Nachrichten prasseln auf uns ein, E-Mails, Newsletter, Präsentationen. Doch oft bleibt von all dem nur ein schales Gefühl zurück. Es klingt nach Austausch, es wirkt nach Verständigung, aber in Wirklichkeit wurde nichts gesagt, nichts verstanden, nichts entschieden. Genau hier beginnt die Schein-Kommunikation: eine Kommunikation, die aussieht wie ein Gespräch, in Wahrheit aber nur ein Ritual ist.


Oberflächen statt Tiefe

Schein-Kommunikation funktioniert wie ein Nebel. Man hört Worte, vielleicht sogar viele, aber sie haben keine Substanz. Sie klären nichts, sie schaffen kein gemeinsames Verständnis und sie erzeugen keine Bewegung. Stattdessen regiert die Floskel, die Phrase, der routinierte Satz, der mehr abwehrt als eröffnet. Auf diese Weise entsteht eine Simulation von Austausch, die zwar die äußere Form wahrt, aber innerlich leer bleibt.


Wie sie entsteht

Oft sind es nicht die einzelnen Menschen, die Schein-Kommunikation hervorbringen, sondern die Strukturen, in denen sie arbeiten. Wenn Hierarchien verhindern, dass alles gesagt werden darf, entstehen Andeutungen und Nebelwände. Wenn Konflikte vermieden werden, greift man zu Sprache, die harmonisiert, aber nicht klärt. Und wenn Zeitdruck herrscht, verkommt Kommunikation zu einer Pflichtübung, die den Anschein von Verständigung wahren soll, ohne sie wirklich zu ermöglichen.


Angst vor Klartext

Gerade Führungskräfte – und auch Politiker – sind besonders anfällig für Schein-Kommunikation. Oft fürchten sie, dass ein klares Wort Widerstand auslöst oder schlecht ankommt. Also wählen sie Formulierungen, die möglichst niemanden verletzen, die auf Harmonie abzielen und in ihrer Unschärfe scheinbar Sicherheit versprechen. Doch diese Art zu sprechen hat einen hohen Preis: Sie erzeugt Distanz statt Vertrauen. Denn Menschen spüren sehr genau, wann jemand redet, ohne wirklich Position zu beziehen.


Die unterschätzten Folgen

Wer glaubt, Schein-Kommunikation sei harmlos, irrt. Sie wirkt wie eine langsame Vergiftung. Vertrauen geht verloren, Entscheidungen bleiben aus, Energie versickert in bedeutungsleeren Formulierungen. Am Ende bleiben Zynismus und das Gefühl, dass es ohnehin keinen Unterschied macht, etwas zu sagen.


Wege aus dem Nebel

Den Nebel zu durchbrechen bedeutet nicht, noch mehr Worte zu produzieren, sondern Worte wieder mit Bedeutung zu füllen. Dazu gehört, bewusst Resonanz einzufordern: nicht „Alles klar?“, sondern „Wie hast du das verstanden?“. Es bedeutet auch, Unsicherheit klar zu benennen, statt sie hinter Phrasen zu verstecken. Und es heißt, Sprache wieder als Verbindung zu begreifen, nicht als Schutzschild.

Hier geht es übrigens zu meinem Artikel zur Systemischen Navigation im Nebel


Die systemische Perspektive

Doch Schein-Kommunikation ist mehr als ein sprachliches Problem. Sie ist immer auch ein Spiegel des Systems, in dem sie entsteht. Floskeln und Worthülsen zeigen, was gesagt werden darf und was nicht. Sie machen sichtbar, welche Spannungen tabuisiert werden und wie Macht und Rollen verteilt sind. Wer nur an der Oberfläche arbeitet und die Gesprächstechnik verbessern will, greift deshalb zu kurz.

Hier beginnt die systemische Arbeit: Sie schaut hinter die Worte und macht die Muster sichtbar, die Sprache prägen. Im Coaching bedeutet das, das Ungesagte ernst zu nehmen – die Pausen, das Schweigen, die Ausweichbewegungen. Schein-Kommunikation ist dann kein Störgeräusch mehr, sondern ein Hinweis darauf, wo das System Schutzmechanismen aufgebaut hat, um Konflikte zu vermeiden.


Fazit

Schein-Kommunikation beruhigt kurzfristig, doch sie verändert nichts. Sie erzeugt eine Illusion von Verständigung, die letztlich lähmt. Wer Organisationen entwickeln will, muss den Mut haben, hinter die Worte zu schauen. Denn erst dort, wo wirklich Klartext gesprochen wird, entsteht Wirkung.

Und genau hier liegt die Stärke des systemischen Coachings: nicht nur zuzuhören, was gesagt wird, sondern auch dem Raum zu geben, was im Schweigen verborgen bleibt.

Möchtest du dich auf Spurensuche in der Kommunikation begeben?
Dann sprich mich an und wir werfen gemeinsam einen Blick auf das Gesagte und das Nicht-Gesagte.

Möchtest du dich auf Spurensuche nach Gesagtem und Ungesagtem begeben?
Sprich mich an und wir können sehen, ob wir uns gemeinsam auf die Suche machen.


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